Was sind das für Menschen, die Wochenende für Wochenende im schwarzen Kittel
über den Platz laufen? Wir haben zum großen Schiedsrichtergipfel in die Sportschule
Wedau geladen. Dirk Gärtner, Kai Brockhoff, Christian Sorgatz und Dieter Kauertz diskutierten
über Freistoßspray, schlecht ausgebildete Trainer und Gewalt auf dem Platz.
Jetzt mal ehrlich, würden Sie sich die Spraydose als Hilfsmittel wünschen?
Brockhoff: Da gehöre ich wohl eher zur alten Schule. Ich sage: Die Persönlichkeit des Schiedsrichters stellt die Mauer auf neun Meter 15. Dafür brauche ich kein Spray. Im
Fernsehen hat man auch gesehen, dass sich die Spieler darüber aufregen, weil die Schuhe dreckig werden.
Das heißt, man bekäme durch das Spray eher ein zusätzliches Problem als Schiedsrichter?
Kauertz: Die Spieler haben sich in der Vorbereitung auf die Saison, so habe ich es beobachtet, eher lustig darüber gemacht. Ich glaube, dass wir eine unnötige
Konfliktsituation schaffen würden, wenn wir das Spray jetzt auch in der Kreisliga einsetzen müssten.
Sorgatz: Eine andere Sache ist: Wir pfeifen meistens auf Kunstrasen, und es gibt viele städtische Platzanlagen. Würde man da anfangen, mit einer Spraydose herumzuwirbeln,
hätte man rasch den Platzwart neben sich stehen. Die harmloseste Frage wäre wohl, ob man noch alle Tassen im Schrank hat.
Der Präsident des Bayerischen Fußball- Verbandes, Dr. Rainer Koch, hat sich für den Einsatz des Freistoßsprays im Amateur- Spitzenfußball ausgesprochen. Die Menschen hätten nach der WM
begriffen, dass es etwas bringt.
Brockhoff: Im Spitzenbereich okay, aber Sie glauben gar nicht, was für Diskussionen wir bekämen, wenn wir das weiter unten einsetzen würden. Wenn ich da eine Linie aufsprühe
und die Nummer 9 berührt die nur mal ganz kurz. Da fordern sofort alle Gegenspieler eine Gelbe Karte. Und dann, viel Spaß.
Herr Gärtner, wie denken Sie über das Spray?
Gärtner: Ich bin etwas anderer Meinung. Ich glaube, dass das Spray für eine gewisse Klarheit sorgen könnte, und das ist den Spielern und Vereinsvertretern das Wichtigste. Ein
solches Hilfsmittel könnte Leunserer Tätigkeit die gewünschte Transparenz verleihen. Klar ist: Wir müssen solche Werkzeuge sinnvoll einsetzen. Es bringt nichts, wenn wir das jetzt flächendeckend für
die Kreisliga C beschließen.
Sorgatz: Vielleicht braucht das Ganze auch einfach noch etwas Zeit. Natürlich werden jetzt auch immer mehr Vereinsvertreter ankommen und uns fragen: „Mann, warum macht Ihr
das nicht?"
Welches Hilfsmittel würde Ihnen denn am meisten helfen?
Gärtner: Kein technisches, sondern ein organisatorisches. Ich halte es für notwendig, dass man auch in den unteren Spielklassen mit Schiedsrichterassistenten arbeitet. Schon
zur Saison 2015/16 sollte es in der Bezirksliga grundsätzlich ein Gespann geben.
Brockhoff: Schön und gut, aber ist das denn mit den sinkenden Schiedsrichterzahlen in Einklang zu bringen?
Gärtner: Das muss mir erst mal einer beweisen, dass wir sinkende Schiedsrichterzahlen haben.
Brockhoff: In Solingen und Remscheid können manche Spiele gar nicht mehr stattfinden, wie man so hört.
Sorgatz: Wir haben auch sinkende Schiedsrichterzahlen in unserem Essener Kreis. Vor drei Jahren hatten wir noch über 250 Schiedsrichter. In der nahen Zukunft werden wir wohl
bei 170 landen.
Wäre eine Bezirksliga, zu der jeweils drei Schiedsrichter anrücken, also gar nicht zu realisieren?
Sorgatz: Das ist schon umsetzbar, weil wir immer noch viele Enthusiasten dabei haben. Die jungen Leute pfeifen teilweise morgens um elf Uhr ein eigenes Spiel und fahren dann
am Nachmittag noch woanders mit. Ich weiß allerdings nicht, woher die Erwartungshaltung der Klubs kommt. Das spielerische Niveau der heutigen Bezirksliga entspricht dem der Kreisliga B von vor
dreißig Jahren. Ich fände es daher besser, wenn wir Teams nur zu ausgewählten Spielen entsenden.
Welche Mannschaften machen die größten Probleme?
Sorgatz: Ich muss erstmal die ausländischen Teams in Schutz nehmen, die in der Öffentlichkeit immer als Problemfälle gelten. In Essen gibt es viele Mannschaften mit einem
hohen Migrationsanteil. Es ist aber keinesfalls so, dass jedes dieser Spiele ein Problemspiel ist.
Brockhoff: Ganz und gar nicht. Dasselbe gilt für Duisburg und Umgebung.
Sorgatz: Mich wollte in 32 Jahren an der Pfeife genau einer angreifen, und das war ein Deutscher.
Gärtner: Es sollte inzwischen auch allgemein bekannt sein, dass man mit Fair-Play am weitesten kommt. Das sagen alle Statistiken des DFB. Der VdS Nievenheim ist zum Beispiel
gerade ohne Gelb-Rote oder Rote Karte von der Landesliga in die Oberliga aufgestiegen.
Was bringt es denn genau, wenn Sie als Trio anrücken?
Sorgatz: Ich glaube ehrlich gesagt nicht daran, dass ein Spieler differenziert, ob ich als Schiedsrichter alleine auf dem Platz stehe oder noch zwei Kollegen an der Linie
dabei habe.
Kauertz: Es ist auch nicht automatisch so, dass man auf dem Platz zu dritt mehr wahrnimmt als alleine.
Gärtner: Das stimmt alles, liebe Kollegen, aber der Vorteil ist ein anderer. Ich muss mich hinterher nicht alleine reflektieren. Schiedsrichter möchten auch lieber etwas im
Team bewegen, genauso wie die Spieler.
Können Sie das genauer erklären?
Gärtner: Wer hobbymäßig pfeift, der will eine sportliche Leistung bringen und hinterher ein Bierchen trinken. So dass er hinterher sagen kann: Das war ein schöner Sonntag! Im
Moment muss er hinterher alleine um ein Wasser bitten und hoffen, dass ihn an der Theke überhaupt noch einer erkennt.
Sorgatz: Dirk, da muss ich dir jetzt doch recht geben. Wir praktizieren es in Essen ja selber so, weil wir Nachwuchs für die oberen Klassen produzieren müssen. Wir schicken
also bei älteren Kollegen in der Bezirksliga natürlich auch den einen oder anderen jüngeren Schiri mit.
Gärtner: Und genau das ist richtig. Ich will, dass die Jungs erst einmal Erfahrung sammeln mit erfahrenen Schiedsrichtern. Wenn sie hinterher mental und von der
Persönlichkeit so stark sind, dass sie negative Erfahrungen kompensieren, dann ist das der richtige Weg.
Kauertz: Ich habe früher zu jedem Bezirksligaspiel zwei jüngere Schiedsrichter mitgenommen. Das habe ich selbst organisiert und die Jungs zu Hause abgeholt. Drei von denen
pfeifen heute in der Landesliga und Oberliga. Bei einem Bezirksliga-Spitzenspiel hast du auch mal 250 Zuschauer. Das ist einfach ein Erlebnis und zugleich Motivation, weiter zu machen.
Brockhoff: Ich kann dem nur beipflichten. Ich würde garantiert weiter in der Bezirksliga pfeifen, wenn ich zwei Assistenten mitnehmen dürfte. Weil es genauso ist, wie es
gerade gesagt wurde. Es macht einfach mehr Spaß, gemeinsam unterwegs zu sein.
Was ist der größte Unterschied auf dem Platz?
Brockhoff: Tatsächlich ist für den Schiedsrichter die Spielleitung auch noch etwas einfacher, weil er das Thema Abseits ausblenden kann.
Gärtner: Es ist auch für den Kopf wichtig, wenn man Spiele hat, bei denen man weiß, dass da schon häufiger etwas passiert ist oder wo ein schwieriges Publikum existiert. Wenn
ich dort hinfahre, ist es beruhigend zu wissen, dass ich nicht alleine raus muss auf den Platz.
Kauertz: Heute wird man ja auch viel früher Schiedsrichter. Ich habe erst mit 27 Jahren angefangen, heutzutage sind viele erst 18 oder 19. Wenn jemand mit so wenig
Lebenserfahrung ein nachbarschaftsduell in der Kreisliga leiten muss, fühlt er sich sicherer, wenn er zwei Kollegen an der Seite hat.
Sie können es am besten beurteilen: Wie geht‘s unseren Schiedsrichtern in der Saison 2014/15?
Sorgatz: Ich kümmere mich in meiner Funktion um knapp 100 Leute, von der Kreisliga C bis zur Kreisliga A, A-, B-Jugend und Alte Herren. Man hat pro Saison immer ein, zwei
Kollegen, die sich zwischendurch kurz ausklinken, und sagen: „Hör mal, jetzt habe ich die Schnauze voll. Ich mache mal vier, sechs Wochen Pause.“ Komplett-Aussteiger sind aber eher selten. Wir haben
sogar einen Schiedsrichter dabei, der rennt seit 1958 jedes Wochenende zweimal übern Platz. Der ist in diesem Sommer 76 Jahre alt geworden.
Ist es also doch eher eine gute Zeit für Schiedsrichter?
Sorgatz: Sagen wir mal: Es ist eine vernünftige Zeit. Wir hatten vor ein paar Jahren in Essen eine Saison, da gab
es gleich am ersten Sonntag zwei Spielabbrüche. Und am nächsten Sonntag drei. Nur bei uns im Kreis. Das war eine Saison zum Vergessen, das zog sich durch wie ein roter Faden.
Welche Gründe hatte das damals?
Sorgatz:Vielleicht war es das Jahr, in dem es so unheimlich heiß war, keine Ahnung. Ich kann es bis heute nicht erklären. Jedenfalls hatten wir irgendwann Woche für Woche einen
Kreiskonfliktberater des DFB bei uns im Kreis. Er hat letztlich die richtigen Maßnahmen ergriffen. Wir haben uns mit den Kreisliga-A-Vereinen an einen Tisch gesetzt. Und die Spruchkammer hat ein paar
abschreckende Urteile rausgehauen. Danach war´s wie abgeschnitten.
Wie ist die aktuelle Situation in den anderen Kreisen?
Kauertz: In Mönchengladbach leben wir nicht auf der Insel der Seligen, aber bei uns passiert schon relativ wenig. Der Grund ist: Die Vereine sind alle sehr eng beieinander.
Jeder kennt jeden, auch durch die Hallenstadtmeisterschaften. Viele sind auch schon mal vom einen Verein zum anderen gewechselt. Schlimm ist es nicht bei den Senioren. Was uns Probleme macht, ist der
mangelnde Respekt der Eltern im Jugendfußball.
Was macht es den Jungschiedsrichter so schwierig?
Kauertz: Es existiert das Problem, dass manche Eltern ihren Sohn schon als den nächsten Bundesligaspieler sehen und die jüngeren Kollegen bei D- oder C-Jugendspielen
drastisch beschimpfen. Und dadurch geht natürlich auch der ein oder andere Schiedsrichter verloren, den wir sonst im Seniorenfußball gesehen hätten.
Wie werden Sie persönlich als Spielleiter behandelt?
Sorgatz: Es hat sich in den letzten Jahren radikal verändert. Man ist mittlerweile nur noch das fünfte Rad am Wagen. Die Wertschätzung für denjenigen, der vorbei kommt und
das Spiel leitet, ist in den letzten Jahren so tief gesunken, wie ich es noch nie erlebt habe.
Brockhoff: Ja, leider wird man inzwischen nur noch als Beiwerk gesehen. Sie kriegen bei manchen Vereinen in der Halbzeitpause nicht mal mehr ein Wasser. Ich habe mittlerweile
meine eigene Wasserflasche dabei. Das war früher undenkbar. Ich habe ganz andere Zeiten erlebt. Damals habe ich mal ein Spiel gepfiffen: 1. FC Kleve gegen 1. FC Mönchengladbach. Da bin ich zwei Tage
nicht nach Hause gekommen. Da war Halligalli.
Wie sieht es heutzutage aus?
Brockhoff: Ich habe vor kurzer Zeit ein BJugend- Qualifikationsspiel gepfiffen. Das war in einem Krefelder Vorort, dem man nachsagt, dass da die besser erzogenen Kinder
wohnen. Sie werden es nicht glauben, es war viertel nach zwölf. Die hatten alle Bierpullen in der Hand und nach 20 Minuten musste ich das Spiel unterbrechen, weil ich angepöbelt wurde. Ich habe den
Störern dann gesagt: „Stopp! So geht das nicht weiter, sonst fahre ich nach Hause.“ Um so ruhig zu reagieren, muss man aber schon ein paar Jahre auf dem Buckel haben.
Gärtner: Dass der Schiedsrichter inzwischen regelrecht übersehen wird, ist schon erkannt worden. Das ist auch Inhalt des DFB-Masterplans „Schiedsrichter 3000 plus“. Wir haben
aber auch eine Meinungsumfrage gemacht. Das wichtigste Ergebnis: Der Schiedsrichter ist sehr gerne Schiedsrichter. Jetzt geht es darum, dass er von Zuschauern und Spielern wieder mehr respektiert
wird. Und vom eigenen Verein. Schiedsrichter werden vielerorts gar nicht mehr zur Weihnachtsfeier eingeladen, sie werden einfach vergessen.
Was kriegt man eigentlich für eine Kreisliga-A-Spiel?
Sorgatz: Bei uns in Essen 17 Euro plus fünf Euro Fahrgeld, weil wir nur innerstädtisch unterwegs sind. Das sieht in anderen Kreisen fahrtkostenmäßig anders aus. Wir hatten
früher auch mal einen Verein aus Mülheim/Ruhr und zwei aus Hattingen dabei. Da brauchten wir aus Essen hin und zurück 40 Kilometer. Über solche Entfernungen lacht aber ein Neusser Schiedsrichter.
Gärtner: Bei uns sind es 100 Kilometer bis zur äußersten Ecke, aber das wird anders abgerechnet, nämlich 30 Cent pro gefahrenem Kilometer, plus die 17 Euro.
Wie lange sind Sie da insgesamt unterwegs?
Sorgatz: Ich hatte immer den Grundsatz, eine Stunde vorher am Ort zu sein.
Kauertz: Genau, das wird auch bei uns gefordert.
Sorgatz: Ich kenne aber auch Kollegen, die sind erst eine Viertelstunde vorher da. Ist mir letztlich egal, solange die
Leistung stimmt.
Gärtner: Insgesamt muss man für ein Spiel vier Stunden einplanen.
Sorgatz: Ich bin in Essen leider so bekannt wie ein bunter Hund. Das heißt, nach dem Spiel komme ich nicht gleich weg. Es kann schon mal sein, dass ich eine Stunde nach dem
Spiel noch ungeduscht bin.
Die Bezahlung liegt also weit unter dem Mindestlohn.
Sorgatz: Ja, aber darum geht‘s den allerwenigsten.
Gärtner: Das ist immer noch ein Hobby.
Kauertz: Und es ist auch immer noch ein Hobby, dem viele Jugendliche gerne nachgehen.
Was stört Sie am meisten, wenn Sie sich in der Freizeit das schwarze Dress überstreifen?
Brockhoff: Die meisten Trainer lassen jegliches pädagogisches Denken vermissen. Ihnen ist gar nicht bewusst, dass das, was sie vorleben, einen unmittelbaren Effekt auf die
Mannschaft hat. Das ist kein gesellschaftliches Problem, das ist einfach ein Gruppenphänomen. Wenn einer schreit, schreien drei mit. Und die werden auch nie bestraft. Oder haben Sie schon mal einen
Trainer gesehen, der ein Spiel Sperre gekriegt hat? Ich nicht.
Gärtner: Die Trainer sind vollkommen überfordert, weil sie keine Ausbildung haben als Trainer. Weil das kein Verein mehr finanzieren kann. Wenn wir allerdings festlegen
würden, du musst ab sofort eine Trainerausbildung haben, dann würden die Vereine zerbrechen. Wir führen jetzt aber die Strafen ein. Wenn in dieser Saison ein Trainer im Seniorenbereich hinter die
Bande geschickt wird, muss er auf Kreisebene 50 Euro Strafe zahlen.
Was versprechen Sie sich von dieser Strafe?
Gärtner: Wir hoffen, dass es das Bewusstsein verändert. Ich habe einen Workshop gemacht mit den Trainern unserer Kreisliga A, ein großes Thema war die Kommunikation. Wir
haben dann mal 18 Trainer aus der Kreisliga A gefragt. „Wer von Ihnen hat eigentlich einen Trainerschein?“ Was glauben Sie, wieviele da einen Trainerschein hatten? Nicht einer.
Sorgatz: Wirklich keiner? Wir hatten dieselbe Besprechung mit 16 Vereinen bei uns im Kreis, da waren auch nur zwei dabei.
Gärtner: Bei uns: kein einziger, und das in der höchsten Spielklasse. Früher war es so: Bevor ich überhaupt tätig werden konnte als Trainer, musste ich – innerhalb der
Trainerausbildung – einen Schiedsrichterschein machen. Heute ist ein Trainerschein aber erst ab der Oberliga erforderlich.
Brockhoff: Es bringt aber auch nichts, wenn ein Trainer den Schiedsrichterschein macht, aber nie selbst auf dem Platz gestanden hat. In Holland ist es möglich, Trainer und
Spieler dazu zu verdonnern, dass sie Freundschaftsspiele als Schiedsrichter leiten müssen. Das wär ja vielleicht auch mal etwas für den Fußballverband Niederrhein.
Zusammengefasst: Wenn Trainer einmal die Perspektive des Schiedsrichters kennenlernten, würden sie Ihren Job in der Folge stärker respektieren?
Sorgatz: Es muss einfach viel mehr Wert auf die Kommunikation untereinander gelegt werden. Früher konnte man einem Spieler schon mal im Vorbeilaufen zurufen: „Ey du Arsch!
Warum fällst du jetzt schon wieder hin? Lass et doch sein.“ Dann hat der gelacht und dann war gut. Wenn ich heute aus Versehen mal zu einem Du sage, geht der schon die Wand hoch.
Was wollten Sie der Trainerzunft schon immer mal sagen?
Sorgatz: Ein Trainer muss wissen, dass der Schiedsrichter nicht sein Feind ist. Er ist lediglich derjenige, der versucht, das Spiel zu leiten, und wir sind alle nur Menschen.
Der eine hat ein bisschen weniger Stress, der andere ein bisschen mehr. Ganz wichtig ist: Wir sind keine Maschinen.
Gärtner: Leider sind es immer wir Schiedsrichter, die irgendwelche Workshops anschieben, weil wir etwas verändern möchten. Der Hintergrund ist, dass sich der Schiedsrichter
auf dem Platz wohl fühlen möchte. Da würde ich mir viel mehr Unterstützung von den Kreisvorsitzenden wünschen. Leider sagt da aber keiner: „Wir haben das Problem auch erkannt und deshalb bieten wir
Euch jetzt eine Plattform.“
Was könnte denn so eine Plattform sein?
Gärtner: Eine Plattform wäre vielleicht einfach eine Veranstaltung zum Start der Saison. Es geht darum, dass man sich in einer Phase kennenlernt, in der wir alle noch keinen
Stress haben. Wenn der Spielbetrieb einmal läuft, lässt sich nichts mehr verändern.
Brockhoff: Jeder von uns Schiedsrichtern, die etwas länger dabei sind, könnte nach der Sommerpause zu einem Kreisliga-AVerein fahren und da einfach mal eine Stunde erzählen.
Das wäre sinnvolle Prävention. Gerade jetzt, wo die Sperre nach der fünften Gelben Karte eingeführt wird, sollten die Klubs doch daran interessiert sein zu erfahren, was eine Muss-Verwarnung ist.
Sorgatz: Als seinerzeit die Rückpassregel eingeführt wurde, haben wir alle Vereine im Kreis angeschrieben und angeboten, bei ihnen vorbeizukommen. Wie viele haben Interesse
bekundet? Genau ein Verein! Und da waren dann noch nicht einmal die Spieler dabei, sondern nur Geschäftsführer, Präsident, Trainer und der Wirt. Obwohl wir angeboten hatten, das flexibel vor oder
nach dem Training zu machen.
Brockhoff: Der Wirt wusste nachher Bescheid.
Was könnte Ihnen noch helfen, um besser wahrgenommen zu werden?
Brockhoff: Ich kann mich immer aufregen, wenn Béla Réthy im Fernsehen nach 90 Minuten sagt: „Und heute hatten wir einen richtig guten Schiedsrichter, ich musste den nicht
einmal erwähnen.“ Das mag für manches Spiel richtig sein, ist aber eigentlich völliger Quatsch. Ein Schiedsrichter kann auch gut gewesen sein, wenn er zwei Elfmeter und eine Gelb-Rote Karte gegeben
hat. Das würde aber eine lokale Tageszeitung niemals erwähnen. Natürlich ist es auch unheimlich schwer, sich ein Spiel auf Kreisebene herauszupicken und zu schreiben: „Der Schiedsrichter Müller hat
das aber sonderlich gut gemacht.“ Zur Wahrnehmung unseres Hobbys würde es aber natürlich beitragen.
Gärtner: Wir haben natürlich auch schon darüber nachgedacht, eine regelmäßige Plattform einzurichten, auf der wir uns erklären und für mehr Verständnis werben können. Social
Media ist da sicher ein Thema. Wir stoßen da innerhalb unseres Ehrenamtes aber einfach auch an ganz natürliche Grenzen. Die Schiedsrichterei ist nicht unser Hauptberuf.
Wir danken Ihnen für dieses Gespräch.